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Brief für Steuerpflichtige im Privatbereich des Monats September 2010


Sehr geehrte Damen und Herren,


der Ihnen nun vorliegende Brief möchte Sie über wesentliche, vollzogene oder geplante Änderungen im Steuer- und Wirtschaftsrecht der letzten Monate informieren und Ihnen Anlass bieten, auch bestehende Sachverhalte zu überprüfen.

Bitte lesen Sie im Einzelnen:


Inhalt

1.

Keine Schenkungsteuer bei nicht geltend gemachtem Pflichtteilsanspruch

2.

Arbeitgeber machen sich bei Zahlung von Dumpinglöhnen strafbar

3.

Abgeltung von Leasingsonderzahlungen durch Entfernungspauschalen

4.

Einholungspflicht v. Arb.genehmigung für polnische Leiharbeitnehmer

5.

Scheinrenditen aus Schneeballsystemen müssen versteuert werden

6.

AG dürfen Nutzung priv. Handys während Arbeitszeit verbieten

7.

Vater darf Sparbuch der Tochter nicht plündern

8.

Lebenslängliche Rente gegen Pflichtteilsverzicht: Nicht steuerbar

9.

Erlass der Erbschaftsteuer bei Insolvenz?

10.

Bundesregierung will Datensammlung "Elena" stoppen

11.

Kindergeld für Kinder, die im Ausland studieren?

12.

Lehre v. fehlerhafter Ges. mit EU-RL zu Haustürgeschäften vereinbar

13.

Immo.fonds: Absenkung ESt-Spitzensatz kein unbilliger Steuervorteil

14.

Vermögensübergabe: Umschichtungen gegen Versorgungsleistungen

15.

Einigung auf einheitl. Rechtsgrundsätze zu Insolvenzfestigkeit

16.

Alleinerziehende: Aufteilung des Entlastungsbetrags?

17.

Nachträgliche Werbungskosten bei Verkauf eines GmbH-Anteils

18.

BVerfG: Abzugsbeschränkung beim Arbeitszimmer verfassungswidrig



1. Keine Schenkungsteuer bei nicht geltend gemachtem Pflichtteilsanspruch

Kernfrage/Rechtslage
Grundsätzlich gilt, dass die unentgeltliche Überlassung einer Kapitalsumme auf Zeit, durch die sich der Darlehensgeber einer Einnahmemöglichkeit begibt, die verkehrsüblicherweise regelmäßig genutzt wird, der Schenkungsteuer unterliegt. Der Bundesfinanzhof hatte nunmehr darüber zu entscheiden, ob dieser Grundsatz auch für den Fall der zinslosen Stundung eines Pflichtteils gilt; wenn also der Wert des Pflichtteils dem Erben gleichsam darlehensweise zur Verfügung gestellt bleibt.

Entscheidung
Der von den Eltern als Schlusserbe eingesetzte Kläger stundete den nach dem Tode des erstverstorbenen Elternteils entstandenen Pflichtteilsanspruch gegenüber dem beim 1. Erbfall alleinerbenenden Elternteil bis zu dessen Tode zinslos. Nach dem Tode des Längstlebenden sah das Finanzamt in der zinslosen Stundung eine freigebige Zuwendung des Klägers an die zuerst alleinerbende Mutter und setzte Schenkungsteuer fest. Mit seiner Klage obsiegte der Kläger vor dem Bundesfinanzhof. Macht der Pflichtteilsberechtigte das (vorübergehende bis zum 2. Todesfall) Nichtgeltendmachen des Pflichtteils nicht von einer Verzinsung abhängig, liege keine freigebige Zuwendung vor, weil die Erbschaftsteuer bei Pflichtteilen erst mit deren Geltendmachung (und nicht mit dem Tod) entsteht. Dieses durch das Gesetz vorgesehene zeitliche Hinausschieben der erbschaftsteuerrechtlichen Folgen eines Pflichtteilsanspruchs liege im Interesse des Berechtigten und solle ausschließen, dass bei ihm Erbschaftsteuer anfällt, obwohl er seinen Anspruch zunächst oder dauerhaft nicht erhebt. Damit korrespondierend kann der Erbe nur geltend gemachte Pflichtteile bei der Erbschaftsteuer abziehen.

Konsequenz
Nach der Entscheidung des Bundesfinanzhofs bietet die Geltendmachung des Pflichtteils (wenn keine Pflichtteilsstrafklausel im Testament besteht) und dessen Zinslose Stundung die Möglichkeit, bei einem Berliner Testament wenigstens in Teilen die steuerlichen Freibeträge in beiden Erbfällen auszunutzen.


2. Arbeitgeber machen sich bei Zahlung von Dumpinglöhnen strafbar

Kernfrage/Rechtslage
Arbeitgeber, die für ihre Arbeitnehmer nicht die zutreffenden bzw. vertraglich geschuldeten (Arbeitnehmer-)Sozialversicherungsbeiträge abführen, machen sich wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt (§ 266 a StGB) strafbar. Das Landgericht Magdeburg hatte über die Strafbarkeit eines Arbeitgebers zu entscheiden, der seinen Arbeitnehmern einen unter dem Mindestlohn liegenden Lohn ausgezahlt hatte ("Lohndumping").

Sachverhalt
Der Angeklagte war Pächter von Toilettenanlagen auf Autobahnraststätten, die er rund um die Uhr sauber halten musste. Als Reinigungskräfte setzte er sogenannte Minijob-Kräfte (geringfügig Beschäftigte) ein, die einen umgerechneten Stundenlohn zwischen knapp unter 1,00 EUR und 1,79 EUR erhielten. Der allgemeinverbindliche und damit gesetzliche Mindestlohn betrug im Tatzeitraum mindestens 7,68 EUR. Zu seiner Verteidigung machte der Angeklagte geltend, dass die Reinigungskräfte lediglich 2 bis 3 Stunden am Tag hätten putzen müssen und die restliche Zeit der Zwölf-Stunden-Schicht nur Bereitschaftszeit oder sogar Freizeit gewesen sei.

Entscheidung
Das Landgericht verurteilte den Arbeitgeber zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu je 10 EUR, was die Grenze einer Vorstrafe übersteigt. Der Straftatbestand des Vorenthaltens von Sozialversicherungsbeiträgen verbietet es Arbeitgebern, Beiträge des Arbeitnehmers zur Sozialversicherung vorzuenthalten - und zwar unabhängig davon, ob Arbeitsentgelt gezahlt wird. Bei der Festsetzung der an die Sozialkassen abzuführenden Beiträge ist nicht auf den tatsächlich gezahlten (geringeren) Lohn abzustellen, sondern auf den (höheren) Mindestlohn, der den Arbeitnehmern zustand. Gegen diesen Straftatbestand hat der Arbeitgeber verstoßen. Hinzu komme, dass die Stundenlöhne ganz offensichtlich unangemessen und sittenwidrig seien. Entgegen dem Vortrag des Angeklagten sei auch nicht davon auszugehen, dass die Reinigungskräfte nur 2 bis 3 Stunden täglich arbeiten mussten.

Konsequenz
In Branchen, in denen tarifvertraglich oder gesetzlich ein Mindestlohn gilt, führt untertarifliche Bezahlung nach Auffassung des Landgerichts Magdeburg zur Strafbarkeit des Arbeitgebers, wobei das Gericht nach eigenen Ausführungen zu einer milden Strafe kommt.


3. Abgeltung von Leasingsonderzahlungen durch Entfernungspauschalen

Kernfragen
Verwendet ein Arbeitnehmer einen "eigenen" geleasten Pkw für berufsbedingte Auswärtstätigkeiten und macht er dafür die tatsächlichen Kosten geltend, kann nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs eine bei Leasingbeginn zu erbringende Sonderzahlung in Höhe der anteiligen beruflichen Nutzung des Pkw zu den sofort abziehbaren Werbungskosten (= Reisekosten) gehören. Wie ist die Sonderzahlung jedoch zu behandeln, wenn mit dem Pkw auch Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte durchgeführt werden? Was gibt es sonst zu beachten?

Sachverhalt
Der klagende Arbeitnehmer bezog Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit. Im Streitjahr schloss er einen Pkw-Leasingvertrag ab und leistete neben monatlichen Raten eine Sonderzahlung von fast 23.000 EUR. Er ermittelte unstreitige Nutzungsanteile von 4,88 % für Privatzwecke, 80,17 % für Fahrten Wohnung - Arbeitsstätte und 14,95 % für berufliche Auswärtstätigkeiten. Bis auf den privaten Anteil wollte er alle anderen Nutzungsanteile (insgesamt 95,12 %) den Werbungskosten zuordnen. Das beklagte Finanzamt dagegen erkannte nur den auf Auswärtstätigkeiten entfallenen Teil (14,95 %) an. Für die späteren Ausführungen des BFH war auch von Bedeutung, dass die Sonderzahlung erst Ende Dezember des Streitjahres entrichtet wurde, während der Pkw im Folgejahr ausgeliefert wurde. Die Nutzungsanteile entfielen daher auf das vorher genutzte Fahrzeug.

Entscheidung
Der BFH gab dem Finanzamt Recht. Soweit der Arbeitnehmer den Pkw auch für die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte einsetze, sei die Leasingsonderzahlung durch die Entfernungspauschale abgegolten. Nach ständiger Rechtsprechung seien mit der Entfernungspauschale sämtliche, durch die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte veranlassten Kosten abgegolten, also auch die anteilige Leasingsonderzahlung. Wer damit meint, zumindest die 14,95 % seien auf jeden Fall gerettet, hat sich getäuscht. Denn nicht nur die Entfernungspauschale ist eine "Pauschale". So können auch für die Reisekosten pauschale Kilometersätze (zurzeit 0,30 EUR) geltend gemacht werden; hiermit sind ebenso sämtliche mit dem Betrieb des Fahrzeugs verbundenen Kosten abgegolten. So führt der BFH weiter aus, zur endgültigen Prüfung der Aufwendungen des Streitjahres sei darauf abzustellen, wie die Geltendmachung der Pkw-Kosten während der Laufzeit des Leasingvertrags erfolge.

Konsequenz
Der Fall wurde zurückverwiesen, um die dem Streitjahr folgenden Jahre zu analysieren. Sind hier pauschale Kilometersätze berücksichtigt worden, bleibt die komplette Leasingsonderzahlung im Zahlungsjahr unberücksichtigt.


4. Einholungspflicht v. Arb.genehmigung für polnische Leiharbeitnehmer

Kernfrage/Rechtslage
Beim Beitritt Polens in die EU hat Deutschland von der durch das Europarecht geschaffenen Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Arbeitnehmerfreizügigkeit bis zum 1.5.2011 zu beschränken. Daher müssen polnische Arbeitnehmer - ausgenommen einzelner Berufsgruppen - eine Arbeitsgenehmigung der Bundesagentur für Arbeit vorweisen, um in Deutschland arbeiten zu können. Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen hatte nunmehr darüber zu entscheiden, ob die Dienstleistungsfreiheit dazu genutzt werden kann (hier: durch ein polnisches Leiharbeitsunternehmen), die Beschränkungen der Arbeitnehmerfreizügigkeit zu umgehen.

Entscheidung
Die Antragstellerin ist eine polnische Firma, die in Deutschland polnische Arbeitnehmer verleihen wollte. Die Bundesagentur hatte ihr die erforderliche Erlaubnis nur unter der Auflage erteilt, dass sie für ihre polnischen Arbeitskräfte eine Arbeitsgenehmigung der Bundesagentur nachweisen müsse, solange die Freizügigkeit polnischer Arbeitnehmer europarechtlich eingeschränkt sei. Die Antragstellerin griff diese Auflage im einstweiligen Rechtschutz an und berief sich auf die europarechtliche Dienstleistungsfreiheit, unterlag aber zuletzt vor dem Landessozialgericht. Da Deutschland zulässigerweise von der europarechtlich vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit für polnische Arbeitnehmer erst ab dem 1.5.2011 in Kraft treten zu lassen, sei es zulässig, Arbeitsgenehmigungen zu verlangen. Die Antragstellerin könne sich nicht auf die Dienstleistungsfreiheit berufen, weil dieses Grundrecht im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung durch die europarechtlich ausdrücklich vorgesehenen Einschränkungen der Arbeitnehmerfreizügigkeit überlagert werde. Allerdings treffe dies nicht auf alle Arbeitnehmergruppen zu. So sehe das Europarecht Ausnahmen etwa für leitende Angestellte, von Lieferanten entsandte Monteure, Studenten und Journalisten vor, für die keine Arbeitsgenehmigungen im Überlassungsfall vorgelegt werden müssten.

Konsequenz
Bis zum Erreichen der vollständigen Arbeitnehmerfreizügigkeit am 1.5.2011 benötigen polnische Arbeitnehmer für eine Tätigkeit in Deutschland in den allermeisten Fällen einer Arbeitsgenehmigung der Bundesagentur für Arbeit.


5. Scheinrenditen aus Schneeballsystemen müssen versteuert werden

Kernproblem
Beteiligt man sich an einer Geldanlage, die sich später als Schneeballsystem entpuppt, steht nicht nur das eingesetzte Kapital auf dem Spiel, sondern auch das Finanzamt kann einem noch übel mitspielen. Nach geltender Rechtsprechung sind auch Scheinerträge aus solchen Beteiligungen zu versteuern. Das musste einmal mehr ein Anleger vor dem BFH erfahren. Ehegatten hatten sich mit mehr als 200.000 DM unwissentlich an einem Schneeballsystem beteiligt. In den Streitjahren erhielt das Ehepaar aus der Anlage tatsächliche Auszahlungen in Höhe von ca. 195.000 DM sowie lediglich gutgeschriebene und sofort wieder angelegte Erträge in Höhe von 176.960 DM. Von dem eingesetzten Kapital kamen kurz vor der Insolvenz 10.000 DM zurück.

Bisherige Rechtsprechung
Für die Zuordnung der zugeflossenen Beträge zu den Einkünften aus Kapitalvermögen ist ohne Belang, ob die Beträge tatsächlich erwirtschaftet sind und ob die Anleger einen zivilrechtlich durchsetzbaren Anspruch darauf haben. Auch wenn Kapital zum Aufbau oder Erhalt eines Schneeballsystems verwendet wird und dem Anleger aus dem Kapital anderer getäuschter Anleger (oder dem eigenen Kapital) eine Scheinrendite gezahlt wird, liegt eine Steuerpflicht vor.

Neue Entscheidung des BFH
Der BFH hält an seiner Auffassung zur Steuerpflicht der Scheinrenditen fest. Daher seien neben den tatsächlich ausgezahlten Zinsen auch die stehengelassenen, d. h. wieder angelegten Beträge zu versteuern. Ob die Scheinrendite dem Anleger jedoch zugeflossen sei, hänge davon ab, ob im konkreten Einzelfall eine Auszahlung hätte erreicht werden können. Hingegen komme es nicht darauf an, ob der Schuldner (hypothetische) Zahlungen an alle Anleger hätte leisten können. Aus der Ablehnung eines sofortigen Auszahlungswunsches und Verhandlungen über andere Zahlungsmodalitäten könne allerdings auf fehlende Zahlungsbereitschaft geschlossen werden.

Konsequenz
Nachdem das Finanzgericht die Wiederanlage nicht als Kapitaleinnahme beurteilt hatte, waren diesbezüglich andere Konsequenzen zu ziehen. Weil angesichts des vorgelegten Schriftverkehrs jedoch Zweifel an der Leistungsbereitschaft des Schuldners bestanden, wurden die 3 letzten der insgesamt 4 Streitjahre an das Finanzgericht zurückverwiesen.


6. AG dürfen Nutzung priv. Handys während Arbeitszeit verbieten

Kernfrage/Rechtslage
Im Rahmen seines Weisungsrechts kann der Arbeitgeber "Nebenbestimmungen" zur Art und Weise der konkreten Ausgestaltung der Tätigkeit und der Arbeitsbedingungen einseitig bestimmen, ohne dass dem Arbeitnehmer ein Widerspruch zustünde. Allerdings gilt das Weisungsrecht nur dort, wo Gesetz, Tarifverträge oder der Arbeitsvertrag die konkrete Arbeitsbedingung nicht bereits regeln. Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz hatte nunmehr darüber zu befinden, ob dem Betriebsrat ein Mitspracherecht (Mitbestimmungsrecht) zusteht, wenn der Arbeitgeber im Rahmen seines Direktionsrechts die Nutzung des privaten Handys (nicht: private Nutzung des Diensthandys) verbietet.

Sachverhalt
Der beklagte Arbeitgeber erließ für die Einrichtung ohne Anhörung bzw. Zustimmung des Betriebsrats eine Dienstanweisung, die die Nutzung von privaten Handys während der Arbeitszeit verbot und hängte an einer Informationstafel entsprechende Mitteilungsblätter aus. Hiergegen klagte der Betriebsrat, weil er in diesem Vorgehen einen Verstoß gegen das Mitbestimmungsrecht sah, da es sich bei der Benutzung privater Mobiltelefone um ein mitbestimmungspflichtiges Ordnungsverhalten handele. Der Betriebsrat unterlag vor dem Landesarbeitsgericht.

Entscheidung
Das LAG führt aus, es sei zwischen mitbestimmungspflichtigem Ordnungsverhalten und mitbestimmungsfreiem Arbeitsverhalten zu unterschieden. Letzteres betreffe alle Weisungen, die bei der Erbringung der Arbeitsleistung zu beachten seien. Mitbestimmungsfrei seien danach Anordnungen, mit denen die Arbeitspflicht unmittelbar konkretisiert wird. So gehöre es zu den selbstverständlichen Pflichten, dass Arbeitnehmer während der Arbeitszeit von der aktiven und passiven Benutzung des Handys absehen (die Nutzung des Privattelefons außerhalb der Arbeitszeit kann nicht reglementiert werden).

Konsequenz
Nach der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts können Arbeitgeber einseitig, ohne Einschaltung des Betriebsrates, ihren Arbeitnehmern die Nutzung ihrer privaten Handys während der Arbeitszeit verbieten; und zwar sowohl das Führen eines Telefonats als auch das Angerufenwerden.


7. Vater darf Sparbuch der Tochter nicht plündern

Kernaussage
Legen Eltern auf den Namen des Kindes ein Sparkonto an, kann das Kind Gläubiger der Spareinlage sein, auch wenn das Sparbuch von Beginn an im Besitz der Eltern verbleibt. Voraussetzung ist, dass das Kind von dem Sparbuch und den darauf erfolgten Einzahlungen Kenntnis hat und sich die Einzahlungen im Wesentlichen als Zuwendungen an das Kind darstellen.

Sachverhalt
Die mittlerweile volljährige Tochter klagte gegen ihren Vater auf Rückzahlung von 1.600 EUR. Das Geld befand sich auf einem Sparbuch auf den Namen der Tochter. Der beklagte Vater hatte das Sparbuch von Beginn an in seinem Besitz. Die Klägerin wusste von diesem Sparbuch und den darauf erfolgten Einzahlungen, da es sich dabei im Wesentlichen um Konfirmations-, Geburtstags- und Weihnachtsgeschenke Dritter handelte. Der Beklagte behauptete, er habe das abgehobene Geld an die Mutter zur Finanzierung von Anschaffungen ausgezahlt. Ferner meinte er über das Geld verfügen zu dürfen. Die Klage hatte vor Amts- und Landgericht Erfolg.

Entscheidung
Zwar können nahe Angehörige, sofern sie ein Sparbuch auf den Namen des Kindes anlegen und dieses in Besitz behalten, Gläubiger des Kreditinstitutes bleiben. In diesen Fällen wissen die Kinder häufig jedoch nichts von der Existenz des Kontos. Da es sich vorliegend bei dem eingezahlten Geld um Geschenke Dritter an die Klägerin handelte, hatte der Beklagte keinen Anspruch auf die Gelder. Sofern der Beklagte die jeweiligen Einzahlungsbeträge mit eigenem Geld aufgerundet haben will, sei nach allgemeiner Lebenserfahrung davon auszugehen, dass auch diese Rundungsbeträge Zuwendungen an die Tochter darstellen. Der Nachweis, dass das Geld an die Mutter der Klägerin ausgezahlt wurde und Anschaffungen damit getätigt wurden, konnte der Beklagte nicht führen.

Konsequenz
Der im Sparbuch namentlich Benannte, der Besitzer des Sparbuchs und der Gläubiger der Spareinlage können verschiedene Personen sein. Auch wenn das Kreditinstitut nach § 808 BGB an denjenigen auszahlen muss, der im Besitz des Sparbuchs ist, begründet dies keine Gläubigerschaft an der Forderung.


8. Lebenslängliche Rente gegen Pflichtteilsverzicht: Nicht steuerbar

Kernfrage/Rechtslage
Wiederkehrende Leistungen, die im Zusammenhang mit der Übertragung von Vermögen gezahlt werden, unterliegen grundsätzlich der Einkommensteuer. Der Bundesfinanzhof hatte nunmehr darüber zu entscheiden, ob auch wiederkehrende Leistungen, die für einen Verzicht auf Positionen des Erbrechts (hier insb. Pflichtteil) gezahlt werden, der Einkommensteuer unterliegen können.

Sachverhalt
Der Kläger hatte im Alter von 22 Jahren auf seinen Pflichtteil und Pflichtteilsergänzungsansprüche beim Tod der Eltern verzichtet. Das gesetzliche Erbrecht blieb unberührt. Im Gegenzug erhielt er eine Einmalzahlung von 1 Mio. DM. Außerdem erhielt der gesundheitlich beeinträchtigte Kläger die Zusage zu einer lebenslangen monatlichen Zahlung. Das beklagte Finanzamt setzte für die Einmalzahlung und den Kapitalwert der lebenslangen monatlichen Zahlung Schenkungsteuer fest. Außerdem unterwarf der Beklagte die monatlichen Zahlungen mit einem Ertragsanteil von 65 % der Einkommensteuer. Mit der hiergegen gerichteten Klage obsiegte der Kläger vor dem Bundesfinanzhof.

Entscheidung
Der BFH urteilte, dass die an den Kläger geleisteten monatlichen Zahlungen weder ganz noch mit einem Zins- oder Ertragsanteil der Einkommensteuer unterlagen. Wiederkehrende Zahlungen als Gegenleistung für den Verzicht eines gesetzlichen Erben auf einen potentiellen Erb- und/oder Pflichtteil sind beim Empfänger grundsätzlich nicht als wiederkehrende Bezüge steuerbar. Allein der Umstand, dass eine Leistung nicht in einem Betrag, sondern in wiederkehrenden Zahlungen zu erbringen sei, könne deren Steuerbarkeit nicht begründen. Die an den Kläger geleisteten Zahlungen enthielten auch keinen Ertrag aus Kapitalforderungen. In dem Verzicht läge kein entgeltlicher Leistungsaustausch und keine Kapitalüberlassung des Kindes an die Eltern. Im Ergebnis handele es sich um einen unentgeltlichen erbrechtlichen Vorgang.

Konsequenz
Soweit es ausschließlich zum Verzicht auf ein gesetzlich eingeräumtes Erbrecht kommt und hierfür eine Gegenleistung gezahlt wird, liegt darin kein entgeltlicher Leistungsaustausch und keine Kapitalüberlassung des Erben an den Erblasser, so dass in der Regel kein einkommensteuerlicher Tatbestand verwirklicht wird.


9. Erlass der Erbschaftsteuer bei Insolvenz?

Kernfrage/Rechtsfrage
Nach altem und neuem Erbschaftssteuerrecht werden die Betriebsvermögensprivilegien nur dann endgültig gewährt, wenn der Unternehmenserwerber das Unternehmen über einen bestimmten Zeitraum fortführt. Darüber hinaus gilt nach altem und neuem Erbschaftsteuerrecht, dass eine Insolvenz, gleich aus welchem Grund sie auftritt, zur Verletzung dieser Behaltensfrist führt und die Steuer auslöst. Der Bundesfinanzhof hatte nunmehr darüber zu entscheiden, ob im Falle der Insolvenz die entstehende Erbschaftsteuer (wenigstens) erlassen werden kann.

Sachverhalt
Die Klägerin war 2001 Alleinerbin geworden. Zum Nachlass gehörte u. a. ein Anteil an einer Kommanditgesellschaft. Nachdem über das Vermögen der Gesellschaft 2003 das Insolvenzverfahren eröffnet worden war, gab die Klägerin den Betrieb auf. Das beklagte Finanzamt versagte der Klägerin wegen der vorzeitigen Betriebsaufgabe rückwirkend die zunächst eingeräumten Betriebsvermögensprivilegien und setzte eine erhöhte Steuer fest. Die Klägerin beantragte, die auf den Erwerb der Gesellschaft entfallende und bereits bezahlte Erbschaftsteuer aus sachlichen Billigkeitsgründen zu erlassen, weil die Betriebsaufgabe durch die Insolvenz erzwungen und sie selbst in der Insolvenz persönlich aus Bürgschaften in Anspruch genommen worden sei. Zuletzt lehnte der Bundesfinanzhof den Erlass ab.

Entscheidung
Ein Erlass komme aus sachlichen Gründen in Betracht, wenn die Einziehung der Steuer unbillig erscheint. Dies sei im Falle der Einziehung der erhöhten Erbschaftsteuer nach Insolvenz eines Unternehmens nicht der Fall. Der Gesetzgeber schreibe vor, dass die Betriebsvermögensprivilegien nachträglich wegfallen, wenn das Betriebsvermögen innerhalb der Behaltensfrist veräußert werde. Dabei gelte als Veräußerung auch die Aufgabe des Unternehmens. Der Wegfall der Privilegien stehe aber selbst dann mit dem Gesetzeszweck im Einklang, wenn das Betriebsvermögen krisen- oder insolvenzbedingt aufgegeben wird. Ein atypischer Einzelfall könne hier auch nicht dadurch begründet werden, dass die Klägerin durch die Insolvenz in erheblichem Umfang Privatvermögen verloren habe. Denn auf die individuellen Umstände der Betriebsaufgabe komme es nicht an, zumal der Verlust von Privatvermögen des Unternehmers in der Regel Folge einer Unternehmensinsolvenz sei.

Konsequenz
Mit der Entscheidung des BFH dürfte nunmehr feststehen, dass die Insolvenz des Unternehmens dazu führt, dass der Unternehmer, wenn die Behaltensfrist noch nicht abgelaufen ist, eine erhöhte Erbschaftsteuer zahlen muss.


10. Bundesregierung will Datensammlung "Elena" stoppen

Kernaussage
Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle will das elektronische Entgeltnachweisverfahren "Elena" aussetzen.

Hintergrund
Das Gesetz über den elektronischen Entgeltnachweis wurde von der Großen Koalition beschlossen und trat zum 1.1.2010 in Kraft. Es verfolgte den Zweck des Bürokratieabbaus und war Signal der Innovation. Seitdem müssen die Arbeitgeber die Entgeltdaten ihrer Beschäftigten monatlich an eine zentrale Speicherstelle bei der Rentenversicherung senden, die die Datensätze in verschlüsselter Form speichert. Ferner sollen ab dem 1.1.2012 Bürger, die Arbeitslosengeld I, Wohn- oder Elterngeld beantragen wollen, dies über eine elektronische Signatur vollziehen. Durch die gespeicherten Daten werden papiergebundene Arbeitgeberbescheinigungen nicht mehr erforderlich. Das kalkulierte Einsparvolumen wurde jedoch nicht erreicht. Auch werden die voraussichtlichen Kosten des Projekts, insbesondere hinsichtlich der digitalen Unterschrift, erheblich überschritten. Aufgrund einer Nutzen- Kostenanalyse soll das Verfahren zumindest dann ausgesetzt werden, wenn die technischen Probleme nicht behoben werden können.

Konsequenz
Die Aussetzung des Verfahrens befürworten auch der Deutsche Städtetag, der Bundesverband der freien Berufe und der Deutsche Steuerberaterverband. Auf Druck von Datenschützern und Gewerkschaften war "Elena" in letzter Minute bereits entschärft worden. Beim Bundesverfassungsgericht ist zudem eine Verfassungsbeschwerde gegen das System anhängig. Die Sammelklage des "Vereins zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs" kritisiert den Umgang mit den persönlichen Daten und zielt auf eine sofortige Löschung der Daten ab. Das Ergebnis bleibt abzuwarten.


11. Kindergeld für Kinder, die im Ausland studieren?

Kernproblem
Kinder, die sich zum Zwecke des Studiums für mehrere Jahre ins Ausland begeben, behalten ihren Wohnsitz in der inländischen elterlichen Wohnung nur dann bei, wenn sie diese in ausbildungsfreien Zeiten nutzen. Dem kommt für die Gewährung von Kindergeld erhebliche Bedeutung zu, wenn das Studium nicht in einem EU- oder EWR-Mitgliedstaat stattfindet. Lässt sich kein Wohnsitz im Inland nachweisen, kommt es zur Streichung des Kindergeldes.

Sachverhalt
Der Streitfall spielt im Jahr 2007: Nach dem Abitur im Juli nahm die Tochter der Kläger im August ihr Studium in den USA auf. Im Elternhaus standen ihr während des Studiums 2 vollständig eingerichtete Wohnräume mit Küche und Bad zur Verfügung. Hierin hielt sie sich auch in den Semesterferien auf. Die Familienkasse verlangte das ab August gezahlte Kindergeld mit der Begründung zurück, das Kind habe seitdem keinen Wohnsitz im Inland gehabt. Nach einer Klage vor dem Finanzgericht wurde den klagenden Eltern das Kindergeld für das komplette Jahr 2007 zugesprochen, weil sich das Kind mindestens 5 Monate im Streitjahr im Inland aufgehalten habe. Hiergegen zog die Familienkasse vor den BFH.

Entscheidung des BFH
Der Senat berief sich zunächst auf die langjährige Rechtsprechung, nach der eine Aufenthaltsdauer von jährlich 5 Monaten in der Wohnung der Eltern genüge, um einen inländischen Wohnsitz beizubehalten. Es seien aber Zeiträume außer Betracht zu lassen, in denen sich das Kind vor dem Beginn oder nach dem Ende des Studiums ausschließlich im Inland aufhalte. Daher könne z. B. für ein Kind, das sein langjähriges Auslandsstudium im November beginne, das Kindergeld für den Monat Dezember mangels eines inländischen Wohnsitzes versagt werden, obwohl es sich in den vorangegangenen 11 Monaten des Kalenderjahres ausschließlich im Inland aufgehalten habe. Kehre ein Kind z. B. nach Abschluss eines mehrjährigen Auslandsstudiums im Februar auf Dauer nach Deutschland zurück, so genüge dies nicht zur Begründung des Kindergeldanspruchs für den Monat Januar. Maßgeblich seien vielmehr nur die Dauer und die Häufigkeit der Inlandsaufenthalte während der Zeiträume, in denen das Kind im Ausland einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt habe.

Konsequenz
Der BFH hat zumindest das ab September 2007 gezahlte Kindergeld gestrichen. Für August ließ er die Entscheidung noch offen, um den genauen Ausreisetermin ermitteln zu lassen. Dabei reicht 1 Tag Anwesenheit im August aus, um das Kindergeld zumindest für diesen Monat zu retten.


12. Lehre v. fehlerhafter Ges. mit EU-RL zu Haustürgeschäften vereinbar

Kernaussage
Die EU-Haustürgeschäfte-Richtlinie (85/577/EWG des Rates vom 20.12.1985) ist grundsätzlich auf den Beitritt zu einer Personengesellschaft anwendbar, wenn der Zweck des Beitritts vorrangig darin besteht, Kapital anzulegen. Zugleich steht Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie, der die Entlassung des Verbrauchers aus allen aus dem widerrufenen Vertrag erwachsenden Verpflichtungen normiert, einer Rückabwicklung eines wirksam widerrufenden Gesellschaftsbeitritts nach den Grundsätzen der im deutschen Recht anerkannten Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft nicht entgegen.

Sachverhalt
Der Beklagte hat im Jahr 1991 aufgrund von Verhandlungen in seiner Privatwohnung seinen Beitritt zu einem geschlossenen Immobilienfonds in Form einer GbR erklärt. In einem Vorprozess hatte die Klägerin als Geschäftsführerin der GbR vom Beklagten die Zahlung von Nachschüssen zur Beseitigung einer Unterdeckung gefordert. Im Laufe des Verfahrens hatte der Beklagte seine Mitgliedschaft fristlos gekündigt und die Beitrittserklärung nach § 3 HWiG (jetzt § 312 BGB) widerrufen. Die Klage wurde mit der Begründung abgewiesen, dass infolge der Kündigung zwischen den Parteien nur noch Ansprüche nach den Grundsätzen der fehlerhaften Gesellschaft bestünden. Die Klägerin erstellte daraufhin ein negatives Auseinandersetzungsguthaben. Zugleich betrieb der Beklagte die Zwangsvollstreckung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss des Vorprozesses. Die Klägerin erklärte mit ihrer Forderung die Aufrechnung und erhob Vollstreckungsgegenklage.

Entscheidung
Das LG gab der Klage statt. Das OLG wies sie ab. Der BGH setzte das Revisionsverfahren aus und hat ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH gerichtet. Er geht davon aus, dass die Vorschriften des HWiG auf den Gesellschaftsbeitritt zu einer Personengesellschaft grundsätzlich Anwendung finden. Dem Widerruf komme unter Heranziehung der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft die Wirkung einer außerordentlichen, ex nunc wirkenden, Kündigung zu. Auch bei arglistiger Täuschung oder Drohung zum Gesellschaftsbeitritt könne kein anderweitiges Ergebnis begründet werden. Die Vereinbarkeit dieses Ergebnisses mit der Haustürgeschäfte-Richtlinie wurde nunmehr vom EuGH bestätigt. Die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft bleibt anwendbar, auch wenn dadurch der Verbraucher weniger als den Wert seiner Einlage zurückerhält oder sich am Verlust des Fonds beteiligen muss. Der BGH hat somit die Entscheidung des LG wiederhergestellt.

Konsequenz
Die durch eine Entscheidung des EuGH erhoffte erhebliche Besserung für Verbraucher, die einer Gesellschaft beigetreten sind und sich noch auf ein Widerrufsrecht berufen können, blieb aus. Geschützt bleiben weiterhin nur nicht oder nicht voll geschäftsfähigen Personen, für die ein ex tunc wirkender Rücktritt begründet wird.


13. Immo.fonds: Absenkung ESt-Spitzensatz kein unbilliger Steuervorteil

Kernaussage
Nach dem Grundsatz der Vorteilsanrechnung sind im Rahmen einer Schadensersatzberechnung vorteilhafte Umstände, die in unmittelbarem Zusammenhang mit dem schädigenden Ereignis stehen, zu berücksichtigen. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass der Geschädigte nicht besser gestellt werden darf, als er ohne das schädigende Ereignis stünde. Zu den vorteilhaften Umständen zählen unter bestimmten Voraussetzungen auch erzielte Steuervorteile.

Sachverhalt
Der freiberuflich tätige Kläger beteiligte sich an einem Immobilienfond. Die Anlageentscheidung fällte er auf Grundlage eines Verkaufsprospekts des Fonds, der über die Jahre sichere Mietsteigerungen auf Basis bestehender Erfahrungswerte der Vergangenheit versprach. Die Erwartungen des Klägers erfüllten sich jedoch nicht. Es stellte sich zudem heraus, dass die beschriebenen Erfahrungswerte der Fondbetreiber tatsächlich gar nicht vorlagen. Wegen Prospektmängeln nahm der Kläger den Fond auf Schadensersatz in Anspruch und forderte die Rückzahlung der seinerzeit geleisteten Einlage. Das OLG gab der Klage nur teilweise statt mit der Begründung, der Kläger habe mit seiner Anlage einen außergewöhnlichen Steuervorteil erzielt, den er sich auf seinen Schaden anrechnen lassen müsse.

Entscheidung
Der BGH folgte der Auffassung des OLG zur Anrechnung der Steuervorteile auf die Schadensersatzforderung des Klägers nicht. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung muss sich ein geschädigter Anleger die erzielten Steuervorteile dann anrechnen lassen, wenn die erhaltene Ersatzleistung nicht der Einkommensteuer unterworfen wird. Wird die Ersatzleistung - wie im vorliegenden Fall - besteuert, sind erzielte Steuervorteile nur dann anzurechnen, wenn die Steuervorteile derart außergewöhnlich sind, dass es unbillig wäre, diese dem Anleger zu belassen. Der BGH sah die erlangten Steuervorteile des Klägers, die sich - nach Auffassung des OLG - allein aus der Absenkung des Einkommensteuerspitzensatzes von 53 % im Jahr 1999 auf derzeit 45 % ergeben hatten, nicht als "außergewöhnlich" an. Die Absenkung des Steuersatzes führe für sich genommen nicht dazu, dass die mit der Anlage verbundenen Steuervorteile erheblich höher seien als der durch die Besteuerung der Ersatzleistung entstehende Steuernachteil.

Konsequenz
Der BGH fasst den Begriff der Außergewöhnlichkeit von Steuervorteilen enger als die Vorinstanzen. Er orientiert sich an der "Kosten-Nutzen-Analyse" und fordert, dass die Ermittlung der erzielten Steuervorteile durch Gegenüberstellung der tatsächlichen mit der hypothetischen Vermögenslage des Steuerpflichtigen nicht mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand verbunden sein darf. Das sich einzelne Umstände der konkreten Besteuerung in der Zeit zwischen der Zeichnung der Fondsanlage und der Geltendmachung des Schadensersatzes ändern, sei hinzunehmen.


14. Vermögensübergabe: Umschichtungen gegen Versorgungsleistungen

Kernfrage/Rechtslage
Wurde Vermögen auf die nächste Generation gegen Zahlung von rentenähnlichen Leistungen übertragen, konnte der Erwerber die Leistungen an den Übergeber einkommensteuerlich dann als Sonderausgaben geltend machen, wenn die Versorgungsleistungen aus den Nettoerträgen des übergebenen Vermögens gedeckt werden konnten. Der BFH hatte nunmehr darüber zu entscheiden, ob der Sonderausgabenabzug bei Verkauf eines wesentlichen Bestandteils des übergebenen Vermögens und deshalb erhöhten Versorgungsleistungen erhalten bleibt.

Sachverhalt
Der Kläger erwarb im Jahre 1995 einen landwirtschaftlichen Betrieb von seiner Mutter durch einen sogenannten Übergabevertrag, in dem für den Fall des Verkaufs eines Kiesgrundstücks eine Erhöhung der monatlich vom Kläger an die Übergeberin zu zahlenden dauernden Last vorgesehen war. Unmittelbar nach der Übernahme des Betriebs veräußerte der Kläger einen Großteil des übergebenen Grundbesitzes zur Ausbeute eines Sand- und Kiesvorkommens an ein Abbauunternehmen. Nach Auszahlung der 1. Kaufpreisrate erwarb der Kläger eine Eigentumswohnung. Das beklagte Finanzamt beurteilte den Übergabevertrag als Vereinbarung einer Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen. Nachdem zunächst der Sonderausgabenabzug der dauernden Last in der ursprünglichen Höhe anerkannt wurde, lehnte der Beklagte den Sonderausgabenabzug wegen der erhöhten dauernden Last ab. Die hiergegen gerichtete Klage hatte vor dem BFH Erfolg.

Entscheidung
In seiner Kernaussage führte der BFH aus, dass die Umschichtung von ertragbringendem Vermögen in anderes ertragbringendes Vermögen nach der Übergabe dem Grunde nach zulässig sei. Sie setzt weder eine Gestattung im Übergabevertrag, noch eine gesonderte Abrede mit dem Übergeber anlässlich der Umschichtung voraus. Allerdings verbleibe es bei dem Grundsatz, dass Versorgungsleistungen insgesamt nur unter der Voraussetzung als Sonderausgaben abziehbar seien, dass der Ertrag des übergebenen bzw. umgeschichteten Vermögens die Leistungen abdecke. Vor diesem Hintergrund verwies der BFH die Sache zur erneuten Verhandlung an die I. Instanz zurück.

Konsequenz
Die Annahme, bei Vermögensumschichtungen im Rahmen von Übergabeverträgen bestehe kein Zusammenhang zwischen erhöhten Versorgungsleistungen, die nach Veräußerung eines Teils des Übergabegutes zu leisten sind, und der Übergabe der wirtschaftlichen Einheit, ist nach der Entscheidung des BFH nicht mehr haltbar.


15. Einigung auf einheitl. Rechtsgrundsätze zu Insolvenzfestigkeit

Kernaussage
Nach der Rechtsprechung des BGH mussten Lastschriften vom Unternehmen genehmigt werden, wenn Gläubiger aus Dauerschuldverhältnissen im Lastschriftverfahren den geschuldeten Betrag vom Konto des Schuldners abbuchten. Der Belastung durfte nur aus berechtigten Gründen widersprochen werden. Der für das Insolvenzrecht zuständige IX. Zivilsenat und der für das Bankrecht zuständige XI. Zivilsenat entwickelten einheitliche Rechtsgrundsätze zur Insolvenzfestigkeit der Einzugsermächtigungslastschrift, wonach der (vorläufige) Insolvenzverwalter bzw. Treuhänder im Verbraucherinsolvenzverfahren nicht mehr schematisch allen nicht durch den Schuldner genehmigten Lastschriften widersprechen darf.

Sachverhalt 1
Der IX. Zivilsenat entschied über die Klage einer Wohnungsbaugesellschaft auf Zahlung von 3 Monatsmieten gegen eine Treuhänderin in einem Verbraucherinsolvenzverfahren. Der Schuldner miete von der Klägerin eine Wohnung. Der Mietzins wurde im Einzugsermächtigungsverfahren durch die Klägerin eingezogen. Nachdem die Beklagte zur Treuhänderin bestellt worden war, widersprach sie der Belastung des Schuldnerkontos mit den Mieten, die daraufhin zurückgebucht wurden.

Entscheidung 1
Der BGH hat festgelegt, dass ein schematischer Widerspruch unzulässige sei und vielmehr die Grenzen des pfändungsfreien Schuldnervermögens zu beachten sind. Solange das pfändungsfreie Schonvermögen (§ 850 k ZPO a. F.) betroffen ist, bleibt dem Schuldner allein die Genehmigung vorbehalten. Auch wenn der Freibetrag überschritten ist, muss der Verwalter dem Schuldner Gelegenheit geben zu entscheiden, welche Lastschrift aus dem Schonvermögen bedient sein soll.

Sachverhalt 2
Der XI. Zivilsenat entschied über die Klage eines Insolvenzverwalters gegen eine Bank auf Zahlung eines Betrages, der sich aus einem Widerspruch gegen die noch nicht genehmigten Lastschriften aus Einzugsermächtigungen ergab. Diesem Widerspruch lagen keine sachlichen Einwendungen gegen die eingezogenen Forderungen zugrunde. Die Schuldnerin führte bei der Beklagten ein Girokonto mit monatlichem Rechnungsabschluss. Die Beklagte buchte nach Widerspruch des Klägers vom 9.7.2004 die seit dem 1.6.2004 zu Lasten des Schuldnerkontos ausgeführten Lastschriften zurück, nicht jedoch die streitgegenständlichen vorherigen Lastschriften.

Entscheidung 2
Der BGH hat die Banken aufgrund der Neuregelungen der §§ 675c ff. BGB ermächtigt, ihre AGB künftig so auszugestalten, dass alle Zahlungen aufgrund einer Einzugsermächtigungslastschrift insolvenzfest sind. Als Vorbild solle das SEPA-Lastschriftverfahren dienen, wonach der Zahlungspflichtige mit der dem Gläubiger erteilten Einzugsermächtigung zugleich auch die Bank autorisiere, die Zahlungen auszuführen. Bis die AGB angepasst sind, muss im Einzelfall geprüft werden, ob der Schuldner die vorgenommene Belastung stillschweigend genehmigt hat. Dies kann insbesondere bei regelmäßig wiederkehrenden Leistungen und bei Vollkaufleuten der Fall sein.

Konsequenz
Dieses konfliktträchtige und umstrittene Thema dürfte aus Sicht der Vertragspartner der Schuldner weitgehend entschärft worden sein, da das hohe wirtschaftliche Risiko von Lastschriften minimiert wurde.


16. Alleinerziehende: Aufteilung des Entlastungsbetrags?

Kernproblem
Alleinstehende Eltern, zu deren Haushalt ein Kind gehört, können bei der Einkommensteuerveranlagung einen Entlastungsbetrag für Alleinerziehende von jährlich 1.308 EUR abziehen. Die Zugehörigkeit zum Haushalt ist anzunehmen, wenn das Kind in der Wohnung des Alleinstehenden gemeldet ist. Ist das Kind bei beiden Elternteilen gemeldet, steht der Entlastungsbetrag demjenigen zu, der die Voraussetzungen für die Auszahlung des Kindergeldes erfüllen würde. Das ist derjenige, in dessen Haushalt sich das Kind überwiegend aufhält. Noch ungeklärt war die Frage, was bei annähernd gleicher Betreuungszeit beider Elternteile zu geschehen hat.

Sachverhalt
Die Tochter war bei beiden Elternteilen gemeldet und hielt sich jeweils von Montag nach der Schule bis Mittwoch früh beim Vater auf, anschließend von Mittwoch nach der Schule bis Freitag früh bei der Mutter. Auch die Wochenenden waren zeitlich gleichwertig aufgeteilt. Das Kindergeld wurde einvernehmlich der Mutter ausgezahlt. Dies nahm das Finanzamt zum Anlass, dem klagenden Vater den steuerlichen Entlastungsbetrag zu verwehren, zumal das Gesetz auch keine Aufteilung vorsehe. Der Kläger hatte schließlich vor dem BFH Erfolg.

Entscheidung des BFH
Der BFH hat die gesetzlich ungeklärte Frage nach dem Sinn des Entlastungsbetrages entschieden: Sei das Kind in annähernd gleichem Umfang in den getrennten Haushalten seiner Eltern aufgenommen und diese typischerweise in gleichem Umfang mit den Leistungen für das Kind und mit den höheren Kosten eines Alleinerziehenden belastet, so bestehe kein Grund dafür, dass mit der Bestimmung des Kindergeldberechtigten zugleich auch derjenige von ihnen bestimmt sei, dem der Entlastungsbetrag zu gewähren ist. Habe dieser keine oder nur geringe Einkünfte, würde sich bei ihm der Entlastungsbetrag steuerlich nicht auswirken. So kommt der BFH zu dem Ergebnis, dass die Eltern auch noch nachträglich einvernehmlich bestimmen können, wer den Entlastungsbetrag monatlich geltend macht. Nur wenn die Eltern sich nicht einigen könnten oder keine Bestimmung träfen, stehe der Entlastungsbetrag demjenigen Elternteil zu, der das Kindergeld erhalte.

Konsequenz
Das Wahlrecht gilt nicht, wenn ein Elternteil bei der Einkommensteuerveranlagung oder durch Vorlage einer Lohnsteuerkarte mit der Steuerklasse II bei seinem Arbeitgeber den Entlastungsbetrag bereits in Anspruch genommen hat. In anderen Fällen sollte bei annähernd gleicher Betreuungszeit der Entlastungsbetrag demjenigen Elternteil zugeordnet werden, für den sich die größere Steuerersparnis ergibt.


17. Nachträgliche Werbungskosten bei Verkauf eines GmbH-Anteils

Kernproblem
Bis zur Einführung der Abgeltungssteuer am 1.1.2009 war die Veräußerung von im Privatvermögen gehaltenen Anteilen an Kapitalgesellschaften steuerfrei, sofern dies außerhalb der einjährigen Spekulationsfrist erfolgte. Eine Ausnahme bestand lediglich für den Fall einer wesentlichen Beteiligung, die ab einem vermögensmäßigen Anteil von zuletzt 1 % angenommen wurde (§ 17 EStG). Erwarb ein Steuerpflichtiger eine solche wesentliche Beteiligung und finanzierte die Anschaffung mittels eines Darlehens, so konnte er nach bisheriger Rechtsprechung die darauf entfallenden Schuldzinsen nicht mehr als nachträgliche Werbungskosten abziehen, sofern diese nach Veräußerung der wesentlichen Kapitalbeteiligung angefallen waren.

Sachverhalt
Im Jahr 2000 veräußerte der zu 100 % an einer GmbH beteiligte Steuerpflichtige insgesamt 49 % seiner Anteile zu einem Preis von 5.000 DM. Die ursprünglichen Anschaffungskosten für die veräußerten Anteile betrugen 300.000 DM, die der Steuerpflichtige zum Großteil fremdfinanziert hatte. Da der Verkaufserlös nicht ausreichte, um das Darlehn zu tilgen, bezahlte der Steuerpflichtige weiterhin Schuldzinsen. In seiner Steuererklärung 2001 machte er diese Schuldzinsen als (nachträgliche) Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen geltend. Das beklagte Finanzamt verwehrte den Ansatz. Unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs folgte das Finanzgericht dieser Auffassung. Die Revision des Klägers hatte Erfolg.

Änderung der Rechtsprechung des BFH
In Abkehr von seiner bisherigen Rechtsprechung hat der BFH den Abzug von Schuldzinsen als (nachträgliche) Werbungskosten zugelassen. Grund für die Rechtsprechungsänderung sei die Absenkung der Wesentlichkeitsgrenze von zunächst 25 % auf mindestens 10 % seit 1999 und auf mindestens 1 % seit 2001, womit der Gesetzgeber die Steuerbarkeit privater Vermögenszuwächse bei wesentlichen Beteiligungen i. S. d. § 17 EStG erheblich ausgedehnt habe.

Konsequenz
Steuerpflichtige, die ihre wesentliche Beteiligung i. S. d. § 17 EStG fremdfinanziert haben, können die auf das Darlehen entfallenden Schuldzinsen auch nach der Veräußerung der Beteiligung geltend machen, wenn und soweit der Verkaufserlös nicht zur Tilgung des bei Anschaffung der Beteiligung aufgenommen Darlehns ausreicht. Offen bleibt, ob der nunmehr zugelassene Werbungskostenabzug auch unter der ab 1.1.2009 geltenden Abgeltungssteuer möglich ist. Von besonderem Interesse ist die Aussage des BFH, dass die genannten Grundsätze auch für den Werbungskostenabzug nachträglicher Schuldzinsen nach Veräußerung einer im Privatvermögen gehaltenen, fremdfinanzierten Immobilie bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung gelten könnten.


18. BVerfG: Abzugsbeschränkung beim Arbeitszimmer verfassungswidrig

Aktuelle Gesetzeslage
Ab dem Veranlagungsjahr 2007 dürfen Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 EStG) nur noch dann als Betriebsausgaben oder Werbungskosten berücksichtigt werden, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet. Der Gesetzgeber begründete die Streichung der begrenzten Abzugsfähigkeit des häuslichen Arbeitszimmers damit, dass die Abgrenzung der Kosten für die private Lebensführung von den Erwerbsaufwendungen mangels wirksamer Kontrollmöglichkeiten schwierig sei. Um eine gleichmäßige Besteuerung zu gewährleisten, sei der beschränkte Abzug nun zu versagen.

Neue Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
Das Bundesverfassungsgericht hat nunmehr entschieden, dass die gesetzliche Neuregelung gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Artikel 3 Abs. 1 GG) verstößt, weil der steuerliche Abzug von Aufwendungen für ein ausschließlich beruflich genutztes häusliches Arbeitszimmer nicht möglich ist, wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. Nach dem objektiven Nettoprinzip muss dem Grunde nach der beruflich veranlasste Aufwand grundsätzlich von der Bemessungsgrundlage abzuziehen sein. Der Gesetzgeber jetzt verpflichtet, rückwirkend auf den 1.1.2007 die Verfassungswidrigkeit durch Umgestaltung der Rechtslage zu beseitigen. Gerichte und Behörden dürfen die verfassungswidrige Norm nicht mehr anwenden.

Konsequenz
Eine rückwirkende Neuregelung ist sicherlich nicht zu erwarten. Für die Jahre 2007 bis 2009 sind die Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer als Werbungskosten oder Betriebsausgaben bis maximal 1.250 EUR absetzbar, wenn für die berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. Die Beschränkung der Höhe nach gilt nicht, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet. Soweit die berufliche Veranlassung allein durch die Nutzung des Arbeitszimmers von mehr als 50 % der gesamten betrieblichen oder beruflichen Tätigkeit indiziert wird, verstößt die Erweiterung des Abzugsverbots durch das Steueränderungsgesetz 2007 nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Bei einer typisierenden Betrachtung ist der Ausschluss dieser Fallgruppe vertretbar, da der Umfang der Nutzung des Arbeitszimmers allenfalls ein schwaches Indiz für dessen Notwendigkeit ist, soweit dem Steuerpflichtigen von seinem Arbeitgeber ein weiterer Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt wird. Es fehlt zudem an leicht nachprüfbaren objektiven Anhaltspunkten für die Kontrolle der Angaben des Steuerpflichtigen zum Umfang der zeitlichen Nutzung des Arbeitszimmers.




Für Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen



Stephan Gißewski

Steuerberater


Ulmenweg 6-8 - 32760 Detmold
Tel.: 05231 / 933 460
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